"Die Ehre von Bonn"

Die Gründung des Bürgerhospitals zum Hl. Johannes dem Täufer

"Das hiesige Hospitalwesen befindet sich aus Mangel an Mitteln in einer so betrüblichen Lage, daß Menschlichkeit und Christenpflicht zu einer völligen Umgestaltung desselben auffordern."(1) Mit diesen Worten wandte sich Ferdinand Walter, Bonner Professor der Jurisprudenz, am 24. April 1842 an den Bischof Andreas Räß in Straßburg. Es gab allen Grund zur Klage: Insbesondere die Armen der Stadt, deren Zahl in den vorangegangenen Jahren beträchtlich gestiegen war, hatten kaum eine Möglichkeit, ärztlich angemessen versorgt zu werden.

Geheimrat Ferdinand Walter

Zwar hatte die Armenverwaltung der Stadt 1819 mit der neu gegründeten Universität ein Abkommen geschlossen, nach dem mittellose Kranke in die Klinik der Universität aufgenommen werden sollten, aber für die "Stadtarmen" standen dort lediglich 12 Betten zur Verfügung, und die Patienten wurden vor allem als "Anschauungsmaterial" für angehende Mediziner betrachtet. In der Nähe des Münsters - heute Ecke Remigiusstraße/Münsterplatz - befand sich das St. Aegidius-Hospital. Im 12. Jahrhundert durch den Kölner Erzbischof gegründet, sollte es ursprünglich bedürftige Kranke und nach Rom reisende Pilger aufnehmen, aber seit 1822 wurde es ausschließlich als Heim für alte Frauen genutzt. Die gleiche Funktion erfüllte im 19. Jahrhundert St. Jacob. Dieses Hospital war im 17. Jahrhundert in der Hospitalgasse - heute Ecke Friedrichstraße/Jacobstraße - erbaut worden. Es sollte ein Hospital ersetzen, das im 15. Jahrhundert in der Sternstraße für "Bonner Bürger beiderlei Geschlechts" eingerichtet worden war, aber 1689 durch Brand zerstört wurde. St. Jacob bot neben Kranken auch Pilgern auf dem Weg nach Santiago de Compostela Herberge, aber seit 1839 diente es ausschließlich der Aufnahme von alten, erwerbsunfähigen Witwen. Unheilbar arme Kranke schob man in ein "Siechenhaus" ab. Für arme "Hauskranke" war um die Mitte des letzten Jahrhunderts der Kreisphysikus zuständig, der auch die Aufsicht über Apotheken, Chirurgen, Bader und Hebammen hatte. Für die Betreuung der mittellosen Kranken bekam er von der Stadt einen Gehaltszuschuß. Die ersparte sich damit die Ausgaben für einen eigenen städtischen Armenarzt. (2)

Walters Klage vom 24.April 1842 war also durchaus berechtigt. Die Mißstände hatten auch schon die Armenverwaltung unter der Präsidentschaft des Oberbürgermeisters Oppenhoff dazu bewogen, sich am 1.April 1842 mit einem Aufruf im Bonner Wochenblatt an die "geschätzten Mitbürger" zu wenden.(3) Der Armenverwaltung fehle es an Mitteln, das Hospitalwesen zu verbessern; deshalb appelliere sie an den Wohltätigkeitssinn der Bürger, "die Errichtung eines den Anforderungen der Zeit entsprechenden Asyles" mit Spenden zu unterstützen. Die Armenverwaltung wolle "die Liebesgaben so lange zu einem Sammelfonds rentbar anlegen, bis sich derselbe als genügend herausstellt, die neue Anstalt in's Leben zu rufen." Von der Stadt kam auch der Vorschlag, "die innere Verwaltung der combinierten Anstalt barmherzigen Schwestern anzuvertrauen", einer französischen Kongregation, die im 17.Jahrhundert durch Vinzenz von Paul ins Leben gerufen worden war. Neben den evangelischen Diakonissen waren sie eine der wenigen Gemeinschaften, die qualifizierte Alten- und Krankenpflege betrieben und zu jener Zeit bereits Hospitäler in Trier, Koblenz und Mainz betreuten.

Gesamtansicht aus der Zeit vor 1910Der Aufruf zeigte unverzüglich Wirkung. Bereits eine Woche später konnte das "Bonner Wochenblatt" auf der Titelseite eine erste Liste von Spendern veröffentlichen, und in der gleichen Ausgabe begrüßte ein anonymer Schreiber die Anregung der Armenverwaltung, beklagte aber, daß die Verwirklichung der Idee wegen "Mangel an Fonds" wohl erst in ferner Zukunft liegen könne. Alles würde schneller gehen, wenn die Mittel, die für das Beethoven-Denkmal bereits zur Verfügung stünden, für das Hospital verwendet würden: "Dem Hospital könnte dann der Name des großen Meisters beigelegt und seine Büste im Inneren des Hauses aufgestellt werde. Sollte sein Andenken auf diese Weise nicht würdiger und dauernder erhalten werden, als durch eine Büste durch Bronze oder Stein?"(4)

Am 12. April stellten "mehrere Bonner Bürger" öffentlich ein anderes Projekt zur Diskussion: Ein Hospitalverein sollte gegründet werden, der gemeinsam mit der Armenverwaltung das Kapital für das Bauvorhaben aufzubringen habe.(5) Einen Tag später fand im Rathaus eine erste Besprechung statt, an der Vertreter aller Konfessionen teilnahmen. Zwar bildeten die Katholiken entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil mit 22 Vertretern die größte Gruppe, aber es waren auch vier Vertreter der evangelischen Gemeinde und drei der jüdischen anwesend. Sie waren sich einig, daß der Hospitalbau die Angelegenheit aller Bürger sein sollte und daß das Krankenhaus nach seiner Fertigstellung als städtische Einrichtung besonders den Bedürftigen ungeachtet ihrer Konfession offenstehen müsse. Nicht unwidersprochen blieb dagegen bei den Protestanten die Forderung der Katholiken, die Verwaltung und Pflege müsse den Barmherzigen Schwestern übertragen werden, wie es bereits die Armenverwaltung vorgeschlagen hatte. Ferdinand Walter, Initiator des Hospitalvereins und Katholik, bemühte sich, die Einwände der Protestanten zu entkräften: Er verwies auf die guten Erfahrungen, die das Koblenzer Hospital mit den Borromäerinnen, einem Zweig der Barmherzigen Schwestern, gemacht hatte. Er war es auch, der sich sofort um Kontakte mit dem Mutterhaus der Borromäerinnen in Nancy bemühte - das war der Grund für seinen Brief an den Bischof von Straßburg. Die Protestanten konnte er allerdings nicht überzeugen. Die Folge dieses ersten konfessionellen Konflikts war, daß sich die Vertreter der evangelischen und auch der jüdischen Gemeinde aus dem Projekt "Hospitalverein" zurückzogen und es den Katholiken überließen

Als am 1. Juli 1842 die erste Generalversammlung des Hospitalvereins im Rathaus tagte, waren die Katholiken bereits unter sich. In den vergangenen vier Wochen waren die Initiatoren nicht untätig gewesen und hatten provisorische Statuten aufgestellt, die am 26. November durch das königliche Oberpräsidium in Koblenz gebilligt wurden. Darin wurde bekräftigt, daß der Hospitalverein beim Bau "in Gemeinschaft mit der städtischen Armenverwaltung" zu handeln habe und daß die Barmherzigen Schwestern die innere Verwaltung des Hospitals übernehmen sollte. Die Statuten regelten die Formalia des Vereins und legten einen Mitgliedsbeitrag von einem Taler pro Jahr fest.(6) Der Verein gab Empfehlungen, wie das Spendenaufkommen zu erhöhen sei: So sollte in jedem "Hauswesen" eine Sparkasse angelegt und "Kinder und Dienstboten ... zu kleineren Gaben" angehalten werden. Jeder Gastwirt, so er Mitglied des Vereins war, sollte in seiner Gaststätte eine "Büchse" aufstellen, jeder Handwerksmeister seine Gesellen "zu 3 Pf. wöchentlich" bewegen.(7) Kurz: alle Schichten der Bevölkerung sollten mobilisiert werden, zum Krankenhausbau beizutragen. Daß die Realisierung des Projekts keine bloße Illusion einiger Engagierter war, wurde schnell deutlich: Im Juli hatte der Hospitalverein bereits über hundert ausschließlich katholische Mitglieder, unter ihnen den Kölner Erzbischof, nicht unbeachtliche Spendenzusagen und andere Formen materieller Unterstützung gewonnen. So hatte das Schreineramt eine Liste von 42 Mitgliedern vorgelegt, die sich zur Anfertigung eines Möbelstücks für das Hospital bereit erklärt hatten. Auf der ersten Vorstandssitzung am 18.Juli wurde schließlich jener Mann zum Präsidenten gewählt, der sich bereits in der ersten Stunde für das Hospitalprojekt eingesetzt hatte: Ferdinand Walter. Damit stand an der Spitze des Vereins ein Vertreter des katholisch-konservativen Bürgertums, ein Mann, nach dessen Überzeugung Sozialarbeit und damit auch die Versorgung mittelloser Kranker ausschließlich die Angelegenheit privaten Engagements, nicht die des Staates oder der Gemeinde sein sollte. Seiner Überzeugung nach würden die Armen aus öffentlicher Hilfe schließlich einen Rechtsanspruch ableiten, der sie "trotzig" mache.(8)

Der Hospitalverein wollte möglichst schnell aus der Planungsphase heraustreten und handelte dabei zunehmend unabhängig von der Armenverwaltung. Am 1.Dezember 1843 beschloß der Vorstand den Ankauf eines Bauplatzes. Ein geeignetes Grundstück fand er vor dem ehemaligen Kölntor im Norden der Stadt. Ausschlaggebend für die Wahl waren nicht zuletzt die Grundstückspreise, die hier günstiger waren als im reicheren Süden Bonns. Es verstrich allerdings noch ein weiteres Jahr, bis die Kommission, die vom Verein beauftragt worden war, den Kaufakt zu tätigen, am 3.Dezember 1844 stolze 4525 Taler "für den Erwerb mehrerer am Cölnthor gelegenen Grundstücke zusammen ohngefähr 3 Magdeburger Morgen (83.013 Ar, S.H.) enthaltend" verwenden konnte.(9)

Krankensaal III. Klasse Die konfessionellen Konflikte, die das Projekt ausgelöst hatte, waren unterdessen neu aufgeflammt. Die evangelische Gemeinde hatte sich zwar aus dem Hospitalverein zurückgezogen, war aber an dem Hospital als städtischer Anstalt weiterhin interessiert und unterstützte den Bau finanziell durch Spenden an die Armenverwaltung. Strittig blieb allerdings, wer die Krankenpflege übernehmen sollte. Nachdem die Protestanten von ihrer ersten Forderung, die evangelischen Kranken in gesonderten Räumen durch evangelische Diakonissen pflegen zu lassen, abgewichen waren und nur noch auf getrennten Räumen für Patienten unterschiedlicher Konfession bestanden, war die Armenverwaltung bereit, dieser Forderung gegenüber dem Hospitalverein Nachdruck zu verleihen. Oppenhoff sah sich schließlich auch der protestantischen Gemeinde verpflichtet, deren Angehörige im preußischen Bonn einflußreiche Bürger und in der Oberschicht überproportional vertreten waren. Außerdem saßen im Armenrat auch die evangelischen Pfarrer, die sich für die Interessen ihrer Gemeindemitglieder einsetzten. Die Zusicherung der Armenverwaltung an die evangelische Gemeinde erschien wiederum dem Hospitalverein höchst bedenklich. Er hatte sich dennoch auf einer Generalversammlung vom 8.November 1843 dazu durchgerungen, "der erwähnten Trennung der Räume keinen Einspruch entgegenzustellen, vorausgesetzt, daß dafür die Hauptsache, nämlich der Übernahme der Verwaltung durch katholische barmherzige Schwestern, kein Hinderniß entstände".(10) In einer Vereinbarung zwischen Hospitalverein und Armenverwaltung vom 1.November 1844 erneuerte der Hospitalverein seine Zusage, daß das fertiggestellte Krankenhaus Eigentum der Armenverwaltung und damit städtisch werden würde. Einen Vorbehalt sprach er jedoch aus: Sollte den Barmherzigen Schwestern Verwaltung und Pflege nicht übertragen werden, würde das Hospital der Münsterkirche überschrieben werden.

Der Baubeginn verzögerte sich aber aus anderen Gründen. Der Architekt van der Emden, der in Bonn auch andere repräsentative Bauvorhaben durchführte - so das Theater in unmittelbarer Nähe des geplanten Hospitals - hatte sich bereit erklärt, unentgeltlich einen Bauplan zu entwerfen, bis zu dessen Annahme das Jahr 1845 annähernd verstrich: Die Kosten für das zuerst geplante Objekt mit 150 bis 170 Betten erwiesen sich als zu hoch. Der Plan mußte mehrfach geändert werden, bis er schließlich einen Bau vorsah, der ohne großen Aufwand erweitert werden konnte, sollten in den nachfolgenden Jahren mehr Mittel zu Verfügung stehen. Als die Armenverwaltung nun aber noch Zusatzwünsche anmeldete, befürchtete der Hospitalverein einen weiteren Zeitverlust und beschloß am 6.Februar 1846, dem Oberbürgermeister mitzuteilen, daß er entschlossen sei, den Bau allein und ohne Mitwirkung der Armenverwaltung zu beginnen. Und so geschah es nach Eintreffen der Baugenehmigung Anfang April 1846.

Die Feierlichkeiten für die Grundsteinlegung, die für den 22.Juni 1846 vorgesehen waren, wurden von einem eigens für dieses Ereignis gebildeten Festkomitee vorbereitet. Einen solchen Zustrom erwartete der Hospitalverein anläßlich dieser Zeremonie, daß Ferdinand Walter in einem Brief an den Oberbürgermeister um Militäreinsatz bat. Seines Erachtens war es erforderlich, "um halb neun an der Münsterkirche Militär aufzustellen, um das plötzliche Einstürmen in die Kirche zu hindern".(11) Nach dem Hochamt sollte sich der Festzug zum Hospitalbauplatz begeben - ebenfalls von Soldaten begleitet -, um dort der Grundsteinlegung beizuwohnen. Der Kölner Erzbischof Johannes von Geissel würde diesen Akt persönlich vornehmen. Nach seinem Namenspatron, dem heiligen Johannes dem Täufer, sollte das neue Hospital den Namen St. Johannes-Hospital erhalten.

Flügel mit gotischem Mittelbau 1878 Die Befürchtungen, die der Hospitalverein in bezug auf den Ablauf der Feier gehegt hatte, erwiesen sich als grundlos: "Dieselbe fand genau nach dem hierüber von dem Vorstande veröffentlichten Programme unter allgemeinster Theilnahme und in schönster Ordnung statt."(12) Die Vertreter der evangelischen Gemeinde blieben der Feier auf Beschluß des Presbyteriums allerdings fern - eine Entscheidung, die wiederum das Mißtrauen der Katholiken förderte. Auch Oberbürgermeister Oppenhoff lehnte die Teilnahme ab. Damit wollte er demonstrieren, daß er den Hospitalbau mittlerweile als Privatangelegenheit des Hospitalvereins betrachtete.

Mit der Grundsteinlegung war ein sichtbarer Anfang gemacht. Dennoch schien das Engagement der Bonner Bürger zu erlahmen: Die Geldmittel flossen weniger reichlich, was der Vorstand des Hospitalvereins auf die verschlechterte wirtschaftliche Situation zurückführte.

Um neue Impulse zu geben und weitere Kreise der Bevölkerung für die Unterstützung des Projekts zu gewinnen, gründete sich beim Bierbrauer Klein nach dem Vorbild der Kölner Dombauvereine der "gesellige Hospitalverein", der schon bald durch zwei weitere, den "brüderlichen" und den "werkthätigen" ergänzt wurde. Das Verhältnis der drei Hilfsvereine zum Hauptverein wurde im Stiftungslied des "geselligen Vereins" mit dem Vers besungen: "Kräftig trieb der Baum gesunde Äste - Dreifach könnt ihr hier sie prangen sehn !"(13)

Die Hilfsvereine setzten aber auch neue Akzente: Insbesondere der "gesellige Hospitalverein" perfektionierte das Spendensammeln durch sogenannte Kollektanten, die allwöchentlich in den ihnen speziell zugewiesenen Bezirken von Haus zu Haus gingen. Der Handwerkerstand, der in allen Hilfsvereinen stark vertreten war, band seine Mitglieder jetzt stärker in das Hospitalprojekt ein. So wurden unentgeltliche Handwerkerarbeiten von Meistern insbesondere aus dem "geselligen Verein" geliefert, während Mitglieder des "brüderlichen" und des "werkthätigen Vereins" Arbeiten am Hospitalbau an mittel- und beschäftigungslose Handwerker vergaben. In einer Zeit der zunehmenden Verarmung von weiten Teilen der Handwerkerschaft erwies sich damit der Bau auch als eine Art von Arbeitsbeschaffungsmaßnahme - ein Nebeneffekt, der lobend hervorgehoben wurde: "Dabei hat der Ausbau des im vorigen Jahre unter Dach gebrachten westlichen Flügels über 100 Meistern des Handwerkerstandes unserer Stadt Beschäftigung gegeben und beschäftigt sie noch fortwährend; es wird somit ein doppelt wohlthätiges Ziel erreicht: kräftige Förderung des Hospitalbaues selbst und Beschaffung von Arbeit in einer Zeit, wo Gewerb und Verkehr auf empfindliche Weise stocken."(14)

Für das Bildungsbürgertum wurde auf Anregung des Textilfabrikanten Friedrich Weerth vom 22.Mai bis zum 3.Oktober 1847 in den unteren Räumen des Hospitals, das zu diesem Zeitpunkt im Rohbau schon fast fertiggestellt war, eine Kunstausstellung gezeigt, deren Leitung dem zukünftigen Revolutionär Gottfried Kinkel übertragen worden war. Das Verzeichnis der ausgestellten Kunstgegenstände, die zum Teil käuflich zu erwerben waren, umfaßte "ältere und neuere Gemälde, Kupferstiche, Bildhauerarbeiten und Waffen".(15) Die 341 Exponate wurden aus der gesamten Rheinprovinz herbeigeschafft und waren gegen ein Eintrittsgeld von 5 Silbergroschen jeden Tag von morgens 7 bis abends 7 zu betrachten. Am Ende hatte der Verein 608 Taler und 9 Silbergroschen eingenommen und die Veranstalter waren überzeugt, "daß damit zugleich unserer Stadt während 5 Monaten ein überaus reicher Kunstgenuß verschafft und auch dadurch unserem Hospitalunternehmen mannigfaltige Freunde zugeführt worden sind".(16)

Das Spendenaufkommen zu vergrößern, war um so notwendiger, als es um die Jahreswende 1847/48 zum endgültigen Bruch mit der Armenverwaltung kam. Diese hatte sich am 23.Juni 1846 und am 7.September 1847 geweigert, ihr zugeflossene Spendenbeiträge der Protestanten an den Hospitalverein weiterzuleiten. Unter den gegebenen Umständen fühlte die Armenverwaltung sich zur Herausgabe dieser ihr anvertrauten Gelder nicht befugt. Der Vorstand des Hospitalvereins bestand hingegen auf der Weiterleitung und berief sich auf die Vereinbarung aus dem Jahre 1844, in der der evangelischen Gemeinde getrennte Räume zugesagt worden waren. Damit seien die Interessen der Protestanten gewahrt und die Armenverwaltung zur Zahlung verpflichtet. Als die Stadt sich im November 1847 schließlich bereit erklärte, die Spenden weiterzuleiten, erneut ein "Recht auf die Eigenthums-Uebergabe des Hospitalbaues" anmeldete und die Bildung einer neuen "Hospital-Commission" vorschlug, lehnte der Hospitalverein die letztere Bedingung ab. Diese Kommission sollte aus allen Mitgliedern der Armenverwaltung und des Vorstands des Hospitalvereins bestehen und unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters "bis zu Vollendung des Baues gemeinschaftlich wirken". In einer Mitteilung an die "wohllöbliche Armenverwaltung"(17) lehnte Walter im Auftrag des Vorstandes das Angebot einer Kooperation mit der Begründung ab, durch eine solche Besetzung der Kommission würden die "Akatholiken" - die Nichtkatholiken - begünstigt.

Es scheint, als habe der Hospitalverein nur darauf gewartet, mit der Stadt brechen zu können, zumal es von Anfang an Vereinsmitglieder gegeben hat, die der Ansicht waren, das Hospital solle nicht als städtische, sondern als kirchliche Anstalt gegründet werden. Zwar gab es wenige protestantische Mitglieder, aber insgesamt war der Verein eine Angelegenheit des katholischen Bürgertums, das in dem Hospitalprojekt einen wichtigen Beitrag zur katholischen Erneuerungsbewegung in der preußischen Rheinprovinz sah. Wenn überhaupt, dann wollte der Hospitalverein eine Zusammenarbeit mit der Stadt zu seinen Konditionen, stand für ihn doch fest, daß er "seine Unternehmung auch ohne die Armenverwaltung zu Ende bringen kann und wird, die Armenverwaltung nicht ohne ihn, und als endlich es gegen den gewöhnlichen Gang der Dinge wäre, wenn diejenigen, die eine so bedeutende Schenkung oder Stiftung zu machen beabsichtigen, sich die Bedingungen müßten vorzeichnen lassen, unter welchen sie schenken sollen".(18) In der Tat wäre es der Armenverwaltung allein wohl kaum gelungen, die Bonner Bevölkerung so zu mobilisieren, wie es der Hospitalverein vermochte.

Ansicht aus der Zeit

Walter machte der Armenverwaltung allerdings noch ein Gegenangebot, durch das er die Unabhängigkeit des Hospitals von der Stadt gesichert sah: Gemeinsam sollten sie um eine mit Korporationsrechten - Körperschaftsrechten - ausgestattete Stiftung nachsuchen. Dann möge ein Kuratorium gebildet werden, das aus sechs Mitgliedern des Hospitalvereine, drei der Armenverwaltung und einem "israelitischen Mitglied" bestehe. Sollte die Armenverwaltung diese Bedingungen ablehnen, so habe man schon eine Alternative gefunden, nämlich im Alleingang eine Stiftung mit Korporationsrechten anzustreben, die "unter dem Schutz des Privatrechts" verläßlicher sei als eine Einrichtung, die staatlichen - und damit stärker dem Wandel ausgesetzten - Regelungen unterliege. Ein solcher Alleingang konnte dem Hospitalverein auch nur recht sein, denn schließlich hatten "mehrere Beförderer" ihm eine Spendenzusage von insgesamt 3325 Talern gemacht unter der Voraussetzung, "daß wir dann allein die Corporationsrechte nachsuchen und erhalten würden".

Der Streit endete erwartungsgemäß mit der Aufkündigung der Zusammenarbeit von seiten des Hospitalvereins : "Da nun dieselbe (die Armenverwaltung, S.H.) unseren letzten als Ultimatum bezeichneten Vorschlag abgelehnt hat, so erachten wir die Verhandlungen als beendet, und werden sofort nach Einberufung der General-Versammlung bei den betreffenden Behörden die nöthigen Schritte thun, um die Concession von Corporationsrechten zu erbitten."(19) Am 2.Januar 1848 billigte die Generalversammlung das Vorgehen; der Vorstand stellte jetzt einen entsprechenden Antrag bei der Regierung.

In dem Entwurf der Statuten für die Stiftung war von getrennten Räumen für Katholiken und Protestanten keine Rede mehr, wohl von einem Betzimmer für Angehörige der evangelischen Gemeinde und einem Raum für die Ausübung der religiösen Bräuche der "Israeliten".(20)

Die Auseinandersetzung zwischen Hospitalverein und Armenverwaltung war öffentlich geführt worden - allen Bürgern zugänglich in den Beilagen des "Bonner Wochenblattes" von Oktober bis Dezember 1847. Die Hospitalangelegenheit bekam auf diese Weise eine ungewöhnliche Publizität, die letztendlich dem Hospitalverein zugute kam. Walter hatte somit allen Grund zum Dank: "Der Verein erfuhr, welche große Kraft die Publicität in sich schließt und der Eigentümer des hiesigen Wochenblattes, Herr Neusser, hat sich durch die Uneigennützigkeit und Liberalität, womit er sein Blatt diesen Besprechungen öffnete, um das Unternehmen sehr verdient gemacht."(21) Überregionale Unterstützung erhielt der Verein durch die "Kölnische Zeitung", die einen langen Artikel über "Die Association, ihre Kämpfe und ihre Gegner" veröffentlichte.(22) Ein anonymer Schreiber machte darin dem "Herrn Ober-Bürgermeister", der Armenverwaltung und der evangelischen Gemeinde die bittersten Vorwürfe. Insbesondere die Stadt habe "die kräftige Entwicklung des Vereins mit unverkennbarer Rivalität" beobachtet, aus nur der heraus ihr Handeln zu erklären sein.

Die Armenverwaltung und mit ihr eine nicht unbedeutende Zahl von Bürgern wollten zunächst verhindern, daß der Hospitalverein die beantragten Rechte bekam. Der Hospitalverein ging deshalb in die Offensive und forderte am 21.März 1848 in einem Aufruf "An unsere hochverehrten Mitbürger in Sachen des Hospitals" die Korporationsrechte. Er brachte diese Forderung in einen Zusammenhang mit den bürgerlichen Freiheiten, die der preußische König Friedrich Wilhelm nach den revolutionären Ereignissen in Berlin soeben in Aussicht gestellt hatte: "Die Corporations-Rechte, welche für das neue Hospital verlangt werden, sind nichts Anderes, als die Freiheit und der selbständige Bestand des erhabenen christlichen Werkes, mit dessen Vollendung Ihr beschäftigt seid. Die neue Ära der Freiheit fordert diese Rechte; vergebens widerstrebt ihr ! Was nicht frei ist, kann nicht die Taufe der Zeit erhalten, kann nicht durch sie lebensfähig und stark werden."(23) Die Hospitalangelegenheit war jetzt die "Ehre von Bonn".

Glücklich fügte es sich, daß Ferdinand Walter 1848 als Abgeordneter des Kreises Rheinbach in die preußische Nationalversammlung in Berlin einzog. In dieser Funktion unterstützte er als Konservativer bedingungslos die Position des preußischen Königs und gehörte zu denen, die Friedrich Wilhelm dazu rieten, eine Verfassung zu oktroyieren, was er am 2.Dezember 1848 auch tat. Die Beziehungen Walters zum preußischen König gestalteten sich somit glänzend, und dies mag dazu beigetragen haben, daß der König am 7.März 1849 nach mündlicher Zusage per Kabinettsorder die ersehnten Korporationsrechte erteilte. Damit war der Weg frei für die Bildung eines Kuratoriums, an dessen Wahl alle Bürger beteiligt waren, die den Hospitalverein mit mindestens fünf Talern unterstützt hatten. Die Unabhängigkeit von der Stadt war jetzt gesichert. Die Stiftung konnte sich jetzt allen Konfessionen öffnen und sogar der Armenverwaltung einen Platz einräumen: Neben acht katholischen Bürgern waren zwei Mitglieder der Armenverwaltung, ein Mitglied der evangelischen Gemeinde und eines der jüdischen im Kuratorium vertreten. Somit trat der bemerkenswerte Fall ein, daß ein Krankenhaus mit streng konfessionellem Grundcharakter ein Aufsichtsgremium erhielt, in dem neben den Katholiken "nach dem Verhältnis der Population" Repräsentanten anderer Konfessionen vertreten waren.(24) Zum Vorsitzenden wurde der unermüdliche Walter gewählt, "Gründer und Seele der Anstalt".

Am 3. November kamen drei Barmherzige Schwestern in Begleitung ihrer Oberin spät abends in Bonn an. So wollten sie verhindern, daß man ihnen einen Empfang bereiten würde, der ihnen aufwendig und damit unangemessen erschien. Da sie deshalb auch niemand erwartete, trafen sie im leeren Hospital lediglich den Hausknecht an, der das Gebäude bewachen sollte: "Nach der Wanderung war es Zeit, sich zu stärken, denn die Schwestern waren nach der langen Reise hungrig geworden. Aber da war guter Rat teuer. Dem Hausknecht kam der rettende Gedanke. Er lief schnell zum Beigeordneten Gerhards, wo er um ein Körbchen Kartoffeln bat, weil soeben die barmherzigen Schwestern eingetroffen seien. Für das Abendessen und die Nachtruhe wurde jetzt, so gut es unter den Verhältnissen ging, gesorgt. Im Johannissaale standen drei mit Strohsäcken versehene Betten zur Verfügung. Aber als sich die Schwestern zur Ruhe legten, fand sich eine nach der anderen auf dem Boden wieder, weil man vergessen hatte, die Querbrettchen unterzulegen."(25)

Operationssaal131 Jahre lang taten Ordensschwestern ihren Dienst im Johanneshospital. 1980 waren es nur noch 13 Schwestern - die meisten von ihnen älter als 60 Jahre. Da es an Nachwuchs fehlte, fand das Kuratorium schließlich Ersatz in der Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes.

Bescheiden war die Ankunft der ersten Schwestern, pompös dagegen der Tag der Einweihung am 19. November 1849. Es war "eine feierliche Handlung, woran sich die Notablen der Stadt, der Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen und andere Prinzen, die Damenwelt Bonns, die Schützengilde wie überhaupt die ganze Bevölkerung der Stadt einmüthig beteiligt hatten"(26) Dem Gottesdienst im Bonner Münster folgte der Festzug zum Hospital, vor dem Walter die Rede hielt, mit der er die neue Anstalt mit 70 Betten ihrer Bestimmung übergab. Ein gemeinsames Festessen nach den Feierlichkeiten zu veranstalten, erschien wegen der hohen Ausgaben unangemessen. Ausgelassen gefeiert wurde schließlich doch noch am Abend: Es tagte der "gesellige Hospitalverein": "Im fröhlichen Kreis freute man sich des bedeutungsvollen Tages, den man begangen, und angemessene Vorträge, Deklamationen und Lieder unter rauschender Musik würzten die große Versammlung."(27) Ferdinand Walter wurde zum Abschluß mit einem improvisierten Fackelzug nach Hause begleitet.

Mit dieser Einweihung beginnt die Arbeit im Bürgerhospital St.Johannes, das vor allem auch den Armen Aufnahme und Pflege bot. Für seinen Unterhalt war es weiterhin auf die Unterstützung der Bonner Bürger angewiesen. Vermächtnisse, Stiftungen von Freibetten, Dienstbotenabonnements, aber auch die Einrichtung einer Abteilung für Privatpatienten sicherten seinen Bestand und ermöglichten bereits in der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts seinen kontinuierlichen Ausbau. Nach drei schweren Bombenangriffen im 2.Weltkrieg beträchtlich zerstört, wurde es nach 1945 unverzüglich wieder aufgebaut, so daß es bereits Ende 1946 wieder 100 Kranke aufnehmen konnte. Bis auf den heutigen Tag möchte das Bürgerhospital seinen Anspruch, allen Aufnahme zu bieten, ernst nehmen.

Sabine Harling

Siegel Johannishospital

 

Anmerkungen:

  1. Doelle 1924, S.1
  2. Zum Hospitalwesen s. Literatur im Anhang.1898 wurde St.Aegidius abgerissen, seine Bewohnerinnen brachte man in einem Konvent in der Breitestraße unter. 1902 wurde auch St. Jacob dorthin verlegt. Heute sind in diesen Gebäuden ein Tagespflegeheim und eine Altentagesstätte der Stadt Bonn untergebracht.
  3. Bonner Wochenblatt vom 1.4.1842
  4. Bonner Wochenblatt vom 8.4.1842
  5. Bonner Wochenblatt vom 12.4.1842
  6. Privatarchiv St.Johannes-Hospital, 010
  7. Bonner Wochenblatt vom 10.6.1842
  8. Gatz 1971, S.520
  9. Bonner Wochenblatt vom 15.6.1845
  10. Privatarchiv St.Johannes-Hospital, Sammlung Walter
  11. Privatarchiv St.Johannes-Hospital, 030
  12. Bonner Wochenblatt vom 24.6.1846
  13. Privatarchiv St.Johannes-Hospital, 014
  14. Bonner Wochenblatt vom 19.6.1848
  15. Privatarchiv St.Johannes-Hospital, 013
  16. Bonner Wochenblatt vom 12.12.1847
  17. Bonner Wochenblatt vom 29.11.1847
  18. Bonner Wochenblatt vom 29.11.1847
  19. Bonner Wochenblatt vom 29.11.1847
  20. Privatarchiv St.Johannes-Hospital, 031
  21. Walter 1865, S.155
  22. Privatarchiv St.Johannes-Hospital, Sammlung Walter
  23. Bonner Wochenblatt vom 21.3.1848
  24. Walter 1865, S.163
  25. Doelle 1924, S.126
  26. Bonner Wochenblatt vom 21.11.1849
  27. Bonner Wochenblatt vom 21.11.1849

 

Quellen und Literatur:

StA Bonn, Pr 888, Pr 2756, Pr 2899, Pr 3523, Pr 592, Pr 769
 
Bonner Wochenblatt Jahrgänge 1842 - 1849
 
Privatarchiv St.Johannes, Sammlung Walter, 010, 011, 012, 013, 014, 030, 031, 033
 
Aders, Gebhard: Die Entwicklung der Bonner Stadtverwaltung 1814 - 1914; in: Aus Geschichte und Volkskunde von Stadt und Raum Bonn. Festschrift für Josef Dietz; Hrsg.: Ennen, E./Höroldt, D.. Bonn 1973, S.380 - 417.
 
Doelle, Ferdinand: Das St.Johannis-Hospital in Bonn. Festschrift zu seinem 75jährigen Bestehen. Bonn 1924
 
Eichner, Wolfgang: Evangelische Sozialarbeit im Aufbruch. Bonn 1986
 
Gatz, Erwin: Kirche und Krankenpflege im 19.Jahrhundert. München, Paderborn, Wien 1971.
 
Höroldt, Dietrich: Bonn im Vormärz und in der Revolution 1814 - 1849, in: Geschichte der Stadt Bonn. Band 4: Bonn. Von einer französischen Bezirksstadt zur Bundeshauptstadt 1794 - 1989. Bonn 1989, S.73 - 186.
 
Marx, Felix: Die Tradition beginnt mit dem valetudenarium Romanorum Bonna. Ein kleiner Streifzug durch die Bonner Krankenhausgeschichte. Bonn 1986
 
Stursberg, H.: 100 Jahre St.Johanneshospital in Bonn 1849 - 1949. Bonn 1949.
 
Velten, Anton: Medizinische Topograhie des Kreises Bonn. Hrsg.: Körschner, Dieter. Bonn 1988.
 
Walter, Ferdinand: Aus meinem Leben. Bonn 1865.
 

Photonachweis:

Alle Photos aus: Doelle, Ferdinand: Das St. Johannis-Hospital in Bonn.